Der Kammerchor Feldkirch geht neue Wege

Chorleiterwechsel
Der Kammerchor Feldkirch bringt unter der Leitung von Benjamin Lack beim Rankweiler Basilikakonzert am 17. März 2024 um 19.00 Uhr Gerda Poppas Oratorium OmegAlpha zur Uraufführung.

EndeAnfang – so die wörtliche Übersetzung des Titels – wird mit diesem Konzert unbeabsichtigterweise zur Formulierung eines Übergangs:

 

Nachdem Benjamin Lack aufgrund seiner Berufung zum Professor für Chorleitung an die Kunstuniversität Graz, als Nachfolger von Johannes Prinz, die Leitung des Kammerchors Feldkirch abgibt, markiert dieses Konzert gleichzeitig auch den Abschluss einer über zehnjährigen, äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit.

Der Kammerchor Feldkirch bedauert den Weggang von Benjamin Lack zutiefst, schaut aber vor allem dankbar zurück auf eine herzliche, intensive, erfüllende und fruchtbare Zeit der Zusammenarbeit, in der viele wunderbare Projekte erfolgreich miteinander realisiert werden konnten. So gelangten unter anderem große Werke der Chorliteratur wie etwa Bachs Johannes- und Matthäus-Passion, Händels Messiah und Alexanderfest, Rossinis Petite Messe Solennelle und Bachs h-Moll-Messe zur Aufführung.

 

OmegAlpha
Wenn das Ende zum Anfang wird
Wir freuen uns, dass der Kammerchor Feldkirch zukünftig mit Ulrich Mayr als künstlerisch-musikalischem Leiter neue Wege beschreiten darf.

Neue Wege entstehen bekannterweise erst, indem sie gegangen werden. So sind wir gespannt, wohin die gemeinsame Reise gehen wird.

 

Um den neuen Chorleiter etwas besser kennen zu lernen, haben sich Gudrun Gabrielli, Edwin Drexel und Barbara Nägele vom Kammerchor Feldkirch zu Beginn des neuen Jahres mit Ulrich Mayr zu einem Gespräch in gemütlicher Atmosphäre getroffen.

Danke an Ulrich für das spannende Interview!

 

An dieser Stelle einige unserer Fragen an Ulrich Mayr und seine (sinngemäß zusammengefassten) Antworten

 

Wie kamst du zum Musizieren?
UM: Ich bin in einer musikalisch sehr aktiven Familie aufgewachsen. So leitete meine Mutter über viele Jahre die Musikhauptschule in Götzis, wo sie auch einige Instrumentalfächer und den Chor unterrichtete. Als Bub habe ich dann auch diese Schule besucht.

Mein Hauptinstrument war zu dieser Zeit bereits die Trompete. Das Chorsingen war damals noch eher ein „Müssen“ für mich.

Danach besuchte ich das Musikgymnasium in Feldkirch.

Nach der Matura absolvierte ich eine Lehrerausbildung in den Fächern Mathematik und Geschichte, die ich bis heute gerne unterrichte.

Parallel zu meiner Unterrichtstätigkeit an der Musikmittelschule in Götzis habe ich dann begonnen, in Luzern Trompete zu studieren. Ergänzend dazu habe ich mich später in Zürich mit Jazz- und Popularmusik auseinandergesetzt.

 

Du hast Trompete studiert. Wie kamst du zur Chorleitung?
Ich habe in Feldkirch am Konsi zuerst den Lehrgang für Blasorchesterleitung absolviert. Danach hat es sich gefügt, dass ich zusätzlich den Lehrgang für Chorleitung absolvieren konnte.

Seither habe ich unzählige Fortbildungen für Chorleiter besucht – vom Chorverband angebotene und andere – zum Beispiel auch in Italien und im Südtirol, wo mein Vater herkommt.

Ich bin in die Chorarbeit quasi durch ein „Baukastensystem“ hineingewachsen.

 

Was waren deine ersten Erfahrungen als Chorleiter?
Zuerst leitete ich naturgemäß Blasorchester und eine Jugendmusik. Während des Chorleiterlehrgangs sammelte ich dann erste Erfahrungen mit einem Evangelischen Kirchenchor, den Leo Summer und ich 8 Jahre lang zusammen als Team geleitet haben.

Parallel dazu habe ich begonnen, Klassenchöre an der Musikmittelschule in Götzis und der Mittelschule „Institut St. Josef“ in Feldkirch zu unterrichten. 

Dabei ist es mir bis heute ein großes Anliegen, mich ständig weiterzubilden, sei es im Rahmen von Kursen oder etwa durch den Austausch mit Kolleg:innen. Wenn man offen ist für Neues, dann kann man sich immer und fast überall neue Inputs „holen“. Das ist mir immens wichtig und wertvoll. 

 

Außer als Trompeter, Chorleiter und Lehrer bist du zusätzlich in der Ausbildung neuer Chorleiter aktiv. Was ist dort deine Aufgabe?
Seit 10 Jahren bin ich für die organisatorische Leitung des Chorleiter-Lehrgangs am Konsi in Feldkirch zuständig. Im Rahmen dieses Lehrgangs unterrichte ich auch Theorie und Coaching. Außerdem leite ich den Aufbaukurs für angehende Chorleiter:innen.

 

Du warst von 2013 bis 2019 Leiter des Gioia Chors. Wie kam es dazu?
Mit dem langjährigen Leiter Paul Burtscher verbindet mich eine lange Freundschaft. Er war es auch, der mich immer wieder motiviert hat, im Chor mitzutun. So war ich während seiner Zeit als Gioia-Leiter bereits während 7 Jahren Vizechorleiter, bevor ich den Chor übernommen hatte.

Inzwischen leitet Philipp Nesensohn den Chor, ich stehe aber nach wie vor als Vize zur Verfügung, wenn ich gebraucht werde.

Mit Gioia durfte ich erfahren, wie wertvoll Chorsingen als gemeinschaftliches Erleben sein kann und wie motivierend eine gute Chorgemeinschaft ist, wenn es etwa gilt, Phasen anstrengender Probenarbeit und herausfordernde Stücke gut zu meistern. Auch habe ich gelernt, dass es dem Ganzen hin und wieder guttut, wenn zwischendurch „fremde“ Personen einen Blick von außen zur Verfügung stellen und neue Inputs bringen. Es ist nicht nur dann gut, wenn ich am Ende vorne stehe.

 

Was fasziniert dich am Chorsingen und am Klangkörper «Chor»? Was ist dabei deine größte Leidenschaft?
Eine meiner großen Chorleidenschaften ist das A-Capella-Singen.

Wenn ein Chor gut stimmt und die gemeinsamen Vokale exakt ausgeglichen sind, entsteht ein unglaublicher Sound.

In solchen Momenten wird das gemeinsame Singen zu einer Art «Laufen ohne Sicherheit»: Wenn man keine Sicherungen mehr braucht, steht der Chor als Ganzes im Mittelpunkt und musiziert nicht auf dem kleinsten sondern vielmehr dem größten gemeinsamen Nenner.

 

Welche sind – spontan gesagt – deine liebsten Chorwerke?
Mein absoluter Favorit ist Bachs große Messe in h-Moll. Diese Musik berührt mich immer wieder extrem.

Rheinbergers Abendlied steht auch ganz oben auf meiner Best-off-Liste, dann das Cantate Domino von Elberding, Bruckners Os justi und seine Messe in e-Moll und das Lux Aeterna von Elgar.

Ich mag auch die skandinavische Chormusik sehr gerne. Da fällt mir spontan Ola Gjeilo ein.

 

Worauf legst du in deiner Arbeit besonderen Wert bzw. wo siehst du deinen Fokus?
Um eine möglichst hohe Qualität und Dichte zu bekommen, ist es meiner Ansicht nach wichtig, miteinander zu wachsen und aneinander zu lernen. Wenn in dieselbe Richtung zusammengewachsen wird, entsteht etwas Einzigartiges.

Dafür ist aber das Engagement von jedem Einzelnen für das große Ganze unerlässlich.

Das Arbeiten und konsequente Dranbleiben ist wesentlicher Teil davon, aber genauso darf der positive Einfluss einer guten Gemeinschaft nicht vernachlässigt werden. Da kann z.B. auch das gemeinsam gepflegte Bier nach einer intensiven Probe ein wichtiges Element sein.

Es scheint derzeit generell sehr schwierig, Menschen (nicht nur) in Chören dazu zu bringen, sich freiwillig und über einen längeren Zeitraum für ein größeres Ganzes zu engagieren und konsequent dranzubleiben, auch wenn es naturgemäß nicht immer nur lustig sein kann.

Wie siehst du das?
Ja, das ist in der Tat ein großes Problem vieler Ensembles.

Ich denke, dass wir grundsätzlich nur dann zukunftsfähig sein können, wenn wir noch besser miteinander funktionieren.

Das erzeugt eine emotionale Ausstrahlung, die wiederum Emotionen zu erzeugen vermag, die es attraktiv machen, selbst im Chor mitzusingen.

Ich wünsche mir, dass wieder vermehrt junge Menschen Lust auf gehobenen Chorgesang bekommen und wir es schaffen, sie neugierig auf interessante und auch schwierige Chorliteratur zu machen.

Die Chöre müssen dafür aber auch ihre Türen für interessierte Sänger:innen wirklich öffnen und diese gut in die bestehenden «alten» Ensembles integrieren. Dabei glaube ich, dass es zweitrangig ist, welche Literatur gesungen wird. Gute Musik in stilistischer Vielfalt und ein breit gefächertes Repertoire ist bestimmt eine wichtige Komponente für unsere Zukunftsfähigkeit. 

 

Was hat dich dazu bewogen, die musikalische Leitung des Kammerchors Feldkirch zu übernehmen? Warum hast du Lust auf diesen Chor?
Es ehrt mich sehr, für diese Aufgabe angefragt worden zu sein. Der Chor hat unter der Leitung von Benjamin Lack ja bereits alle gewichtigen Werke gesungen, von denen man als Chorleiter so träumt. Insofern trete ich in große Fußstapfen.

Entsprechend groß war auch meine Nervosität vor der ersten Probe mit dem Kammerchor 😉

Ich sehe meine neue Aufgabe als persönliche Herausforderung, auf die ich mich sehr freue.

Es ist toll, mit diesem Klangkörper arbeiten zu können, mit dem sehr schnell in die Musik und klangliche Feinarbeit gegangen werden kann. 

 

Wo siehst du den Kammerchor in ein paar Jahren?
„Mein“ Kammerchor der Zukunft lernt aneinander und wächst dadurch noch mehr zusammen.

Er ist im oben genannten Sinn offen und attraktiv für sängerischen Nachwuchs und hat weiterhin seinen fixen Platz – auch in einer sich aktuell rapide und stark verändernden Kulturlandschaft.

 

Wer kann im Kammerchor Feldkirch mitsingen?
Wir laden fortgeschrittene Sängerinnen und Sänger aller Register ab dem jungen Erwachsenenalter herzlich ein, bei uns im Chor zu singen. Ich persönlich halte nicht viel von einem einmaligen solistischen Vorsingen. Ob jemand den Anforderungen an unser Chorverständnis entspricht und zu uns passt, lässt sich viel besser bei einem persönlichen Gespräch und vor allem singend im Rahmen einiger aufeinander folgender Chorproben feststellen, quasi ein „Proben auf Probe“. Also: Am besten Kontakt mit mir als Chorleiter oder mit der Obfrau Veronika Ammann (über unsere Homepage) aufnehmen.

 

Wenn du nicht musizierst? Was sind deine privaten Freuden und Hobbies?
Meine freie Zeit verbringe ich am liebsten mit meiner Frau und den beiden Kindern.

Urlaub mit dem Wohnwagen im Süden, am Strand sitzen und ein Bier genießen, das finde ich wunderbar.

Gute Gespräche mit meinem langjährigen Freund Paul Burtscher und anderen Freunden zählen bestimmt auch dazu.

 

Was wird dein erstes gemeinsames Projekt mit dem Kammerchor Feldkirch sein?
Zusammen mit dem Chor der STELLA Musikhochschule Feldkirch dürfen wir das Requiem von Fauré und sein Cantique de Racine einstudieren.

Danach werden wir ein reines A-Capella-Programm einstudieren, welches wir am 17.11.2024 in der Basilika Maria Bildstein gemeinsam mit dem Trompeter Jodok Lingg präsentieren werden.

 

Danke für das spannende Gespräch.

Wir wünschen Ulrich Mayr gutes Gelingen und viel Freude mit seiner neuen Aufgabe! Möge der gemeinsame Weg ein spannender, guter und auch in der Zukunft tragfähiger sein.

 

f.d.I.

Barbara Nägele, Kammerchor Feldkirch